IG Angus Hessen e.V.

The biggest cow we have ever seen

Hessische Anguszüchter im Ursprungsland der Rasse Angus unterwegs

Vom 12.-15. Mai unternahm die Interessengemeinschaft Deutsche Angus Hessen e.V. mit Gästen aus Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen eine viertägige Reise nach Schottland, um namhafte Aberdeen-Anguszüchter zu besuchen.
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Vom Düsseldorfer Flughafen aus starteten wir am Donnerstagmittag mit 20 Personen bei bestem Wetter in Richtung Edinburgh. Leider mussten wir auf den Organisator Holger Born verzichten, der aus gesundheitlichen Gründen verhindert war.
In Edinburgh war es deutlich kühler und frischer Wind gab uns einen Vorgeschmack auf das schottische Klima. Bereits bei der Stadtrundfahrt in der schottischen Hauptstadt bekamen wir einen Eindruck von der reizvollen Landschaft, die geprägt ist von Lavagestein mit tiefen Tälern, mit steilen Stechginster bewachsenen Hängen, mit dem tief ins Land reichenden Firth of Forth, der die Verbindung zur Nordsee ist und den eindrucksvollen gelben Sandsteingebäuden. Schotten sind keine Engländer, darauf legen sie großen Wert. Sie sind stolz nach mehr als 300 Jahren englischer Regentschaft, seid 1999 wieder ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung zu haben. Edinburgh zählt heute etwa 450 000 Einwohner und ist gekennzeichnet von Großstadtflair, georgianischen Palästen, Tourismus und Naturidylle. Die Geburtsstadt von Harry Potter ist zugleich Heimat für viele schottische Dichter und Denker wie Irvin Welsh, Ian Rankin oderKate Atkinson. In der Innenstadt, der Old Town befinden sich z.B. das Schloss oder das neue Parlament und zahlreiche Museen. In der New Town zählen Princess Street (Einkaufsmeile) und George Street (Trendbars und Markenboutiquen) zu den Sehenswürdigkeiten.
Am frühen Abend bezogen wir unser Hotel in dem kleinen Fischerort
North Queensferry.


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Die zwei folgenden Tage standen ganz im Zeichen der Anguszucht.
Wir besuchten am Freitag drei Zuchtstätten um Kelso.
Mr. Brewis und seine Frau (Eastfield Farm) empfingen uns am Freitagmorgen mit einer Tasse Tee oder Kaffee. Die Schotten sind gänzlich unkompliziert und so fanden wir uns alle Mann kurzerhand in der Küche wieder. Nach dem kurzen Plausch gingen wir zu den Weiden. Mr. Brewis führt zwei Betriebe, Eastflield und Lempitlaw. Es werden 430 ha bewirtschaftet bei etwa 170 m ü.n.N. mit 650 mm Niederschlag. 310 ha werden für Ackerbau genutzt. Was uns sofort ins Auge fiel waren die satten, saftig grünen Weiden. Kein Löwenzahn oder sonstige Verunkrautung. Der kleinste Schlag der Farm umfasst 20 ha. Die meisten von uns waren davon ausgegangen, dass die Schläge kleiner strukturiert sind, so wie man es in Hessen oft findet. Es werden 34 Aberdeen Anguskühe gehalten mit 28 Zuchtfärsen und 2 Herdenbullen.
Die Kühe kalben im Frühjahr. Außerdem verfügt die Farm über eine Gebrauchsherde von 100 Kühen, Shorthorn x Angus. Die männlichen Tiere werden an eine Biosupermarktkette vermarktet. Das Futter setzt sich aus Weizen, Stroh, Süßlupinen, Kartoffeln und etwas Silage zusammen.
Unser erster Eindruck, eine interessante Herde, die sehr intensiv geführt wird. Auch die Angusjungbullen stellten sich bestens dar, enorm bemuskelt und mit starken Fundamenten. Die Zuchtbullen werden mit 2 Jahren auf Auktionen oder ab Hof vermarktet. Bis dahin wachsen sie gut behütet und intensiv gefüttert auf. Die Farm hält außerdem noch 400 Schafe, die teilweise gemeinsam mit den Rindern weiden. Mr. Brewis zeigte uns auch seinen neuen Stall, zu dem jemand scherzhaft anmerkte: „ Hier leben die Kühe im Zirkuszelt.“ Der Rundstall mit 30 m Durchmesser fasst bis zu 80 Kalbinnen in 8 Gruppen und ist mit dem praktischen Mittelpunkt zum Sortieren eine interessante Stallvariante, die durchaus für Aufmerksamkeit bei unseren Züchtern sorgte.


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Zuchtbulle bei Eastfiel

Unser nächstes Reiseziel war die Tofts Farm von James Playfair-Hannay.
Hier werden die Anguskühe ganzjährig auf der Weide gehalten.
Wir hörten, dass im letzten Jahr so viel Schnee gefallen sei, wie in den letzten 20 Jahren zusammen, also raue Bedingungen auf den bis zu 450 m hoch gelegenen Weiden. Die Fahrt zum höchsten Punkt am Berg war schon ein kleines Abenteuer. Von dort hatten wir einen herrlichen Ausblick auf die Middlelands und so weit das Auge reichte folgte ein Tal dem Anderen. Der Wind auf der Bergkuppe war unglaublich böig und nach einem kurzen Aufenthalt waren wir froh mit dem Jeep wieder ins Tal fahren zu können.
Tofts besteht aus 3 Farmen mit 1800 ha. Die Tiere werden mit Gras, Grassilage, Gerste, Stroh und Mineralfutter gefüttert. Das Erstkalbealter liegt bei 2 Jahren, die Kühe werden nach dem 10. Kalb aussortiert. Die Belegungen erfolgen im Natursprung, durch Embryotransfer und Besamungen aus der ganzen Welt. Ein Zuchtziel ist eine robuste Anguskuh die mit Grasfütterung bestehen kann. Zu Schauen wird Kraftfutter eingesetzt. Die Kälber werden im Frühjahr geboren und nach ca. 7 Monaten abgesetzt. In der Trockenstehphase sind die Kühe auf „den Hügeln“. Die Absetzer werden im Stall mit GPS, Getreideschrot, Lupinen- oder Sojaeiweiß und Mineralfutter gefüttert.
Tofts hält 90 reine Aberdeenkühe und hat eine Gebrauchsherde von 70 Shorthornkühen die mit Angus gekreuzt werden.

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Schottisches Wetter bei Toft`s Angus

Das nächstes Highlight war der Betrieb von John Elliot (Rawburn Farm). Hier sahen wir Bullen mit Herz – das Brandzeichen der Farm.
Mr. Elliot zeigte uns eine ausgesuchte Herde von 30 Kühen, der insgesamt 200 Anguskühe, von denen 20 in Amerika stehen.
Wir bestaunten seine besten Jungbullen im Alter von 12-14 Monaten. Die Topleistung des besten Tieres lag bei 870 kg/400 Tagegewicht und einem Verkaufspreis von 30.000 Schottischen Pfund (35.400 €). Für einen durchschnittlichen Bullen sollten durchaus 8000,- bis 10.000,- € eingeplant werden, und der ein oder andere Züchter aus unseren Reihen überlegte ob er denn das richtige Portemonnaie eingepackt hatte.
Färsen erzielten auf der Rawburn Farm im Jahr 2010 einen Durchschnittspreis von 7000.- €.

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Jungbullen bei Rawburn

Nach den vielen imposanten Eindrücken des Tages, den immer wieder kehrenden, kleinen Regenschauern bei den kühlen Temperaturen und dem frischen schottischen Wind nahmen wir die Einladung zu einem Umtrunk in -der Küche- gern an und wärmten uns auf diesem Wege wieder auf.

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Rawburn

Der Samstag bot uns freundlichere Temperaturen und wir wurden von Regen verschont. Morgens besuchten wir auf unserem Weg zur Moncur Farm von Mr. Taylor die Kleinstadt Perth.
Bei Taylor`s wurden wir mit Sandwiches und Kartoffelchips aus der eigenen Produktion empfangen. Die Moncur Farm wird in der 3. Generation seid 1927 von der Familie Taylor geführt. Seid 1987 werden Aberdeen Angus gezüchtet.
Es werden 400 ha Getreide und 400 ha Kartoffeln angebaut. Die Chipsproduktion umfasst 5 Sorten mit den Geschmacksrichtungen angus, cheep, onions, ham und chilli. Der Vertrieb soll auch nach auf das europäische Festland ausgedehnt werden. Die 30 Aberdeen Anguskühe nehmen zwar einen geringen Produktionsteil des Betriebes ein, werden aber absolut professionell geführt. Die Verkaufsbullen kosten etwa 3.500,- € bis 20.000,- €.

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Moncur Angus von Russell Taylor

Die Tiere von Mr. Taylor kamen unserem Zuchtziel wohl am nächsten. Die Kühe waren nicht ganz so groß, wie in den vorherigen Betrieben und auch die Jungbullen stellten sich sehr gut dar. Dennoch kann man feststellen, dass die schottische Anguszucht sich ganz klar von der Deutschen unterscheidet, zum einen von der Erscheinung der Tiere, sowohl auch von der Intensität mit der hier die Tiere gehalten werden.

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Junge Zuchtkuh bei Moncur

Der letzte Betrieb den wir auf unserer Reise besuchten war die Nehterton Farm von Mr. Mc Laren. Alle Herden, die wir besuchten sind weit über die Grenzen Schottlands bekannt und die Netherton Farm hat sich durch Embryotransfer weltweit einen Namen gemacht.

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Netherton

Hier stand sie dann: „ The biggest cow we have ever seen,” mit einem Gewicht von über 1000kg. Die etwa 30 Kälber die wir sahen stammten aus Embryotransfer. Mit 14 Monaten werden die besten Rinder zum ersten Mal gespült und nur wenige Kälber auf dem Betrieb stammen aus dem Natursprung. Im Jahr werden 200-300 Embryonen vermarktet.
Die Embryonen werden in der eigenen Herde eingesetzt oder weltweit verkauft.
Vor einigen Jahren wurden bis auf 5 oder 6 Kühe alle Zuchttiere im Alter von 4-5 Jahren verkauft, um dann eine neue Herde aufzubauen. Die neue Herde soll jetzt auf 120 Kühe wachsen. Die Kühe kalben zum ersten Mal mit 2 Jahren und es wird sehr auf Milchleistung selektiert. Die ersten Jungbullen werden im Alter von 15-16 Monaten angeboten und die Kaufpreise beginnen bei 5500,- €.
Die Netherton Farm setzt Genetik aus Canada, Neuseeland, Australien und Amerika ein. Die Verkaufsbullen werden nicht so intensiv wie auf den anderen Farmen zugefüttert. Sie erhalten nur 4-5 kg Kraftfutter mit 16% Eiweiß. Und zum Abschluss unseres Besuches bringt Mr. Mc Laren das zur Aussprache was in den letzten zwei Tagen unser Eindruck war: „Aberdeen Angus ist nicht mehr das, was wir vor 30 Jahren einmal gezüchtet haben.
Heute sind die Tiere groß und mächtig und ich versuche darauf zu achten, dass wir nicht über das Ziel hinauswachsen.“
Mit der Aussage sahen sich viele der mitgereisten Züchter bestätigt.
Man muss mal in natura gesehen haben, wie die heutigen Aberdeen Angus im Ursprungsland der Rasse gezüchtet werden. Ob wir diese Intensität in der Anguszucht in Deutschland brauchen, dass sollte jeder Züchter für sich entscheiden. Fest steht, wir haben eine wunderschöne Landschaft gesehen, die ihren ganz eigenen Charme hat. Wir besuchten bestens geführte Zuchtbetriebe, die uns außergewöhnliche Tiere präsentierten und
wir waren eine tolle Reisegesellschaft bei der nach allen Bemühungen nur eine Frage offen geblieben ist: „Was tragen die Schotten unter dem Rock?“
Am Sonntag stand die Heimreise auf dem Programm. Gegen Mittag ging unser Flug von Edinburgh zurück nach Düsseldorf. Im Gepäck nahmen wir die gesammelten Eindrücke und viel Erzählenswertes für zu Hause mit.

Ingrid Sippel