Die guten geschäftlichen und freundschaftlichen Kontakte nach Rumänien nahmen am 1. Mai 2019 einundzwanzig reiselustige hessische Anguszüchter zum Anlass, einige Betriebe im Rumänischen Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt, zu besuchen.
Bei idealem Reisewetter startete unsere Gruppe von Frankfurt um nach 2 Stunden Flug gegen Abend in Cluj-Napoca zu landen.
Nach ruhigem Flug, wurden wir von Igor Peev gut gelaunt empfangen und mit seinem firmeneigenen Bus in unser Hotel gebracht. Dort angekommen, empfingen uns schon zwei weitere Angusfreunde aus Brandenburg, die von Berlin aus nach Cluj geflogen waren und unsere Gruppe auf 23 Personen vervollständigten.
Nach gutem Essen und viel Whisky, den wir schon ganz gut von unseren Schottlandreisen kannten, fielen wir alle müde und zufrieden in unsere Betten.
Am nächsten Tag wurden wir mit drei Kleinbussen in das 40 Kilometer entfernte Cristorel gefahren. Der Betrieb von Igor Peev liegt in herrlicher Alleinlage ca. 5 Kilometer vom Ort entfernt. Die 250 ha Betriebsfläche, davon ca. 70 ha Pacht, umgeben die erst 2012 gegründete Betriebsstätte auf schönem, hügeligem Gelände. Die Tatsache, dass für den Kauf, bzw. Pacht der Flächen ca. 180 Verträge notwendig waren, machten deutlich wie kleinstrukturiert die Ländereien in den Zeiten der Sozialistischen Republik Rumäniens aufgeteilt waren.
Die ersten Angus auf Cristorel kamen von den Betrieben Henz und Weiershäuser aus dem Raum Marburg.
Mit dem Kauf war Igor Peev wohl zufrieden, denn heute stehen 190 Tiere, davon 120 weibliche auf dem Betrieb, die fast alle direkt oder in den folgenden Generationen aus Hessen kommen. Einige von uns erkannten selbst eingezogene Ohrmarken wieder und freuten sich darüber „ Ihre “ Tiere in einem sehr guten Zustand wieder zu sehen.
Die Tatsache, dass alle seit Betriebsgründung eingesetzten Bullen vom Fleischrindertag in Alsfeld stammen, macht klar, dass wir vor einer Hessisch-Rumänischen Herde standen.
Lediglich 3 Rinder wurden in der Vergangenheit aus Bayern zugekauft.
Bis auf wenige Kühe werden alle im Natursprung gedeckt, Hauptabkalbezeit ist September bis Dezember. Zur Zeit ist Igor Peev dabei, einige Tiere für den Embryotransfer vorzubereiten, der von einem Spezialisten aus Italien durchgeführt werden soll.
Ähnlich wie bei uns wird in Rumänien eine jährliche Herdenuntersuchung durchgeführt.
Die ganze Herde, im mittel- bis gut mittelrahmigen Typ beider Farbschläge, standen am Tag unseres Besuches noch im Stall. Um Trittschäden auf den Flächen zu vermeiden ist im Landkreis Cluj ein Weideaustrieb vor dem ersten Mai nicht erlaubt.
Gefüttert wird im Winterhalbjahr fast ausschließlich mit Grassilage und Heu, es kommt nur wenig Maissilage aus eigenem Anbau zum Einsatz. Im Kälberschlupf wird mit einem Kraftfutterautomat etwas zugefüttert.
Die jeden Winter benötigten 400 Ballen Stroh werden zugekauft, durch eigene Quellen wird die Wasserversorgung sichergestellt.
Für alle auf dem Betrieb anfallenden Arbeiten verfügt Igor Peev über drei Mitarbeiter, die auch den staatlich verordneten nächtlichen Sicherheitsdienst gemeinsam mit den 10 rumänischen Schäferhunden übernehmen.
Im Anschluss
ging es wieder zurück Richtung Cluj-Napoca ( Klausenburg )
In einem Vorort besuchten wir noch ein kleines aber feines Gestüt das von Igor
Peev`s Sohn Christian geführt wird.
Auch dieser Betrieb wurde erst 2012 gegründet und befindet sich noch im Aufbau.
Hier werden Springpferde der Rasse Oldenburger mit französischer Genetik
gezüchtet.
Vier Tiere waren gerade zur Ausbildung in Frankreich, wir hatten aber das Glück
einen bei Pferden sehr seltenen, wenige Tage alten Zwilling bestaunen zu
dürfen.
Nach dem
Mittagessen in einem naheliegendem Restaurant, dass von unserem Gastgeber Igor
Peev ausgegeben wurde…. Danke Igor….besichtigten noch einige von uns Cluj.
Der Abend verlief diesmal etwas gediegener und der Kellner musste weniger
Whisky nachschütten als er es von uns erwartete…….
Der nächste
Tag führte uns in das von Cluj 120 Kilometer entfernte Acatari im Landkreis
Tigru Mures.
Ziel war die Farm von Tomy Nagy, am Ortsrand gelegen.
Bei der Begrüßung mit Kaffee und Schnaps, an der auch schon der Präsident von
Aberdeen Angus Rumänien, Marcel Olteanu mit dabei war, erfuhren wir das der
gebürtige Ungar Tomy Nagy auf über 400 Hektar 700 Tiere hält.
Diese Flächen sind hauptsächlich auf zwei Standorte aufgeteilt. Zwei Farben,
zwei Standorte, zwei Systeme. Nach diesem Prinzip bewirtschaftet Familie Nagy
ihren Betrieb. Auf dem besichtigten Gelände
wurde uns die rote Herde, die komplett
aus deutscher Genetik besteht, vorgestellt. 190 Mutterkühe plus Nachzuchten ,
alle im mittelrahmigen Typ.
Auch hier sahen wir tadellose Tiere die im wesentlichen in einer Gruppe gehalten
wurden.
10 % der Kühe werden künstlich besamt, es kommen unter anderem auch Te Mania und Red Label zum Einsatz.
80% der Kühe kalben im Herbst ab. Die Bullenabsetzter werden als Ochsen mit
einem Gewicht von ca. 350 kg über Karpaten Meat für 2,50 Euro/Kg vermarktet.
Wie auch schon bei Igor Peev bleibt ein guter Teil der weiblichen Absetzer als
Zuchtrinder im Inland.
Wir hatten das Glück, von den 700 mm Niederschlag, die hier durchschnittlich im
Jahr fallen,
nichts abzubekommen. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen
konnten wir die relativ neu und praktikabel errichteten Stallungen und die
Tiere inspizieren.
Auf den 240 Hektar in den Bergen,
werden ausschließlich schwarze Angus mit schottischen Wurzeln gehalten. 140
Kühe plus Nachzuchten . Diese Flächen liegen bis auf einer Höhe von 800 mtr. über
NN und im Winter sind hier Schneehöhen von einem Meter keine Seltenheit. Diese Herde bekamen wir leider nicht zu sehen, da
die Fahrt dahin den zeitlichen Rahmen gesprengt hätte.
Im Anschluss wurden wir von unserem
Gastgeber in Tigru Mures zum Mittagessen
eingeladen. … Danke auch hier an Tomy Nagy…..
Anschließend führte uns Marcel Olteanu
durch die sehenswerte Stadt Tigru Mures . Mit seiner lockeren Art und
sehr guten Deutschkenntnissen konnte er
uns viel über Kultur und Geschichte der
Stadt und Rumänien im Allgemeinen näherbringen.
Wieder im Hotel angekommen, erwartete uns auch schon nach kurzer
Verschnaufpause das allabendliche Buffet. Durch den mittlerweile eingetretenen
Gewöhnungseffekt wurde nach dem Essen wieder etwas mehr Whisky angeboten…. und
auch verzehrt.
Nach der
dritten Nacht in unserem Hotel, verbracht in sehr guten Betten, ging es wie
immer nach dem Frühstück um 8:30 Uhr in unseren drei Kleinbussen mit den uns
mittlerweile gut bekannten Fahrern ab nach Sibiu. ( Hermannstadt )
Nach 2,5 Stündiger Fahrt erreichten wir das unter deutschen Anguszüchtern
bekannte Unternehmen Karpaten Meat.
6000 Hektar, 3000 Kühe, 100 Mitarbeiter… alleine diese Zahlen machen klar dass
es sich bei diesem Betrieb am Fuße der Karpaten um Dimensionen handelt, die für
uns fast unvorstellbar sind.
Bei der Begrüßung durch den Schweizer Geschäftsführer Stefan Jung erfuhren wir
unter anderem, dass der Betrieb sich noch im Aufbau befindet und langfristig
10000 Hektar angepeilt werden. Weitere Niederlassungen in Bulgarien und
Georgien bestehen bereits, oder sind geplant. Hauptsächliche Futtergrundlage
ist Grünland. „ from grass to beef “ ist
der Slogan der dem Besucher schon bei der Einfahrt am Hoftor ins Auge springt.
Lediglich auf ca. 100 Hektar wird Mais angebaut, dem ca.600 mm
Niederschlag/Jahr für das Wachstum zur Verfügung stehen.
Der 2008 von einem Metzger gegründete Betrieb erstreckt sich heute auf einer
Länge von 25 -30 Kilometer rechts und links an einem Flusslauf gelegen. Alte landwirtschaftliche
Gebäude aus den sozialistischen Zeiten Rumäniens wurden entlang dieser Strecke
übernommen und heute als einfache
Unterstände für Maschinen und einem Teil der Tiere genutzt. Nach dem die
Verluste unter den ganzjährig im Freiland gehaltenen Tieren zu groß wurden, in
einer Nacht gab es 15 Tote Kälber und Kühe durch Bären, wurden nach und nach alle
Flächen durch ein Festzaunsystem mit 3- 5 Stahldrähten und bis zu 10000 Volt
gegen Aus- und Einbruch gesichert. Außerdem sollen Schakale , wilde Hunde, Wildschweine und
bestimmte Menschen an einem Betreten der Flächen gehindert werden.
Der Eigentum – Pachtanteil beträgt ca. 50/50. Die ganze Herde wird analog des
Australischen Herdbuch Programmes geführt.
Durch den Rumänischen Herdenmanager, der bestens von Marcel Olteanu
gedolmetscht wurde, erfuhren wir weitere Details. In der Decksaison werden
Gruppen zu 100 Kühen gebildet, denen jeweils 3 Bullen zugeführt werden.
Nachkommen dieser Gruppen die sich als Zuchttauglich erweisen, können später
durch DNA Abgleich den entsprechenden Vätern zugeordnet werden. Die über 100
Deckbullen, alle in Schwarz, werden außerhalb der Deckzeiten zusammen in größeren
Gruppen gehalten. Was einige von uns für unmöglich halten, funktioniert hier
problemlos, da den Tieren viel Raum auf den Flächen gegeben wird.
Die Blutlinien der eingesetzten Bullen sind unter anderem stark von Donaumoos
Angus geprägt. KB und Embryotransfer wird zu Testzwecken angewendet.
Diesen Frühling gab es auf Karpaten Meat bereits ca. 1500 Abkalbungen, im
September – Oktober werden die „ restlichen“ 1500 erwartet.
Der größte Teil dieser riesigen Herde verbringt den Winter im Freien, in
Gruppen zu jeweils ca. 70 Tieren auf 20 Hektar. Nur für die Kälber wurden
einfache Unterstände aus alten Holzpaletten und Vlies errichtet. Gefüttert wird mit Grassilage in
einfachen Anlagen, die ohne Dach ausgeführt sind.
Um alle Flächen mit Wasser zu versorgen, wurden in der Vergangenheit große
Anstrengungen mit dem Leitungsbau unternommen. Die Vermarktung der nicht zuchttauglichen
Tiere erfolgt über das eigene Schlachthaus.
Die Besichtigung der Flächen und Tiere bei bestem Wetter erinnerte uns etwas an
Schottland. Weite, grüne Flächen auf sanft hügeligem Gelände darauf überall
verteilt mittel-bis gut mittelrahmige Kühe mit gut entwickelten Kälbern. Und
das soweit das Auge reicht……
Auch heute wurden wir wieder zum Essen eingeladen. Im wunderschönen Sibiu ( Hermannstadt ) konnten wir uns in einem Steakhaus von der Qualität der Karpaten Meat Angus überzeugen. Danke an Aberdeen Angus Rumänien für die Einladung.
Die
Fleischrinderzucht in Rumänien hat keine lange Tradition.
Erst um 2008 wurde von der Regierung ein Programm aufgelegt mit dem der Aufbau
von Fleischrinderherden gefördert wird.
10 Millionen Euro kommen dafür jährlich von der EU. Allerdings wird die
Förderung jedes Jahr von der Rumänischen Regierung neu festgelegt und beträgt je nach Menge der
beantragten Tiere 200- 500 Euro/Tier.
Der Zuschuss wird für alle Fleischrinderrassen gewährt, allerdings sind heute
90 % aller in Rumänien gehaltenen Fleischrinder Angus. Sicher ein Verdienst der
ersten Pioniere, auch von Karpaten Meat, aber auch ein Beleg dafür, dass unsere
Rasse wie keine Zweite dafür geeignet ist aus Gras Geld zu machen.
Heute hat der Rumänische Aberdeen Angus Verband schon an die 900 Mitglieder mit
ca.40000 eingetragenen Herdbuchkühen. Tendenz steigend.
Sicher auch ein Verdienst der Vorstandsriege um den Präsidenten der Aberdeen
Angus Romania , Marcel Olteanu. Wir kannten ihn schon von seinen Besuchen in
Deutschland und wir haben ihn auf unserer Reise durch Rumänien als einen
äußerst zuvorkommenden und freundlichen Gastgeber
kennengelernt, der es versteht durch seine lockere Art den Virus Angus zu verbreiten.
Unterstützt wird der ehrenamtlich arbeitende Vorstand seit einigen Jahren durch
ihren jungen Geschäftsführer Ioan Gociman. Wir haben in ihm am letzten Tag
unserer Reise einen bestens
ausgebildeten Mann gesehen, der voller Tatendrang strotzt und dabei ist, eine
junge Mannschaft um sich herum aufzubauen. Geplant ist der Aufbau einer
Besamungsstation und die Einführung eines Herdbuches nach Schottischem Vorbild.
Seine Anfrage, ob es möglich wäre, einige seiner Mitarbeiter in Hessen in der Tierbeurteilung auszubilden , empfanden
wir als Ehre und als Bestätigung für das Reiseziel Rumänien .
Herzlichen Dank an Marcel Olteanu und an alle Betriebsleiter für die Zeit und
die große Gastfreundschaft. Besonderen Dank an Igor Peev, der im Vorfeld der
Reise das Hotel, die Kleinbusse und den Tourverlauf für uns organisiert hat.
Mein Fazit: Womöglich sind die besuchten Betriebe kein repräsentativer Querschnitt in der Gesamtheit der Rumänischen Anguszucht. Aber durch sehr engagierte Vorstandsmitglieder mit besten Verbindungen in die Politik und junge, bestens ausgebildete Leute in der Geschäftsführung kann es mit der Population Angus in Rumänien nur vorwärts gehen.
Und …..last but not least…. Angus macht aus Gras eben Geld !
Text: Claus Knacker Fotos: Karl-Heinz Krach